

Ein Text von Havin ( 20 J.)
Sie lebt in einer Kollektivunterkunft im Emmental
Zuerst möchte ich betonen, dass dies hier nicht einfach nur ein Text ist, sondern das Leben von jemandem von euch. Seit zweieinhalb Jahren lebe ich in einem Camp in der Schweiz. Dieses Camp ist allerdings nicht so, wie man sich normalerweise ein Camp vorstellt, irgendwo im Wald, mit seinen Liebsten schöne Zeiten verbringen oder wie in einem Ferienresort. Nein, es ist ganz anders. Überall, in jeder Ecke, in jedem Menschen gibt es eine andere Geschichte, eine andere Vergangenheit. Aber es gibt einen gemeinsamen Punkt: Der Wunsch nach einem normalen Leben. Ein bisschen Frieden mit den Liebsten, ein bisschen Glück, der Versuch, den grausamen Klauen der Vergangenheit zu entkommen, ein neuer Anfang. Vielleicht klingt das für andere nicht nach viel. Aber diese Menschen nehmen dafür sogar den Tod in Kauf. Und die Probleme enden nicht, wenn man hier ankommt, sie beginnen erst. Ein neuer Ort, neue Menschen aus der ganzen Welt, eine neue Kultur, eine neue Sprache, die Sehnsucht nach den Liebsten, Stress. Menschen, die vor ihrer Vergangenheit fliehen, sind hier. All diese neuen Eindrücke sind für viele zu viel. Einige begehen Selbstmord, einige werden in Krankenhäuser eingeliefert, einige bekommen psychologische Unterstützung. Meine psychologische Unterstützung war eine Nähgruppe, in der ich mich plötzlich wiederfand. Und ich bin so froh, diese Menschen gefunden zu haben. Vielleicht sprechen hier nur zwei oder drei Leute dieselbe Sprache wie ich, aber mit der Sprache des Herzens verstehen sich alle Frauen. Nach langer Zeit haben wir wieder gelernt zu lachen, Spaß zu haben, den Stress abzubauen und vor allem, durch human arts, die beängstigenden Seiten dieses neuen Lebens auszublenden. Wir konnten einfach wir selbst sein. So eine Herzlichkeit habe ich zuletzt in meinem eigenen Land erlebt. Nach langer Zeit trafen sich vertraute Gefühle, echte Lächeln und gutherzige Menschen unter einem Dach. Am Anfang habe ich mich gefragt, warum es „human arts“ heißt, doch später habe ich verstanden: Es ist wirklich eine Kunst, in der Menschen aus allen Teilen der Welt ihre Hände, ihre Arbeit, ihre Mühe reingeben. Ich finde, es wäre eine Ungerechtigkeit, das einfach nur „eine Tasche“ zu nennen. Das hier ist nichts anderes als Kunst.